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Sonntag, 20. Mai 2012

Ladybirds

Da stand ich nun in dem großen Ballsaal des New Yorker Luxushotels welchen meine Eltern zur Feier meines dreißigsten Geburtstags extra gemietet hatten. Um mich herum meine Freunde, Verwandte, Bekannte meiner Eltern und viele Leute, die ich gar nicht kannte.
Alles um mich herum scherzte und lachte, es herrschte gute Laune, nur mir, dem Geburtstagskind, war gar nicht zum Lachen zumute. Anstatt gute Laune zu heucheln würde ich mich viel lieber in eine Ecke hocken und heulen und mich selbst bemitleiden. Und der Grund für meine Laune war Sam.
Sam war wunderschön, clever, witzig, intelligent, humorvoll, spontan und unheimlich sexy. Aber bevor sie jetzt auf falsche Gedanken kommen, Sam ist eine Frau. Ja, sie haben richtig gelesen. Ich liebe eine Frau. Und vor wenigen Minuten hatte ich einen kräftigen Streit mit ihr.
Nein, meine Eltern und auch meine Freunde wussten nicht, dass wir ein Liebespaar waren. Nur einige Freunde aus der Scene wussten Bescheid. Aber sie hielten dicht, sie wussten was es heißt, sich zu outen.
Nun aber zurück zu unserem Streit. Ich war auf meinem Zimmer in dem Hotel, das meine Eltern für mich angemietet hatten, um mich für die Party fertig zu machen. Die Friseurin war gerade da und ich hatte Lockenwickler im Haar. Ich sah auf die Uhr, denn Sam hätte schon längst da sein müssen. Sie hatte mir versprochen, wenigstens heute mal pünktlich zu sein. Sam war in diesen Dingen etwas chaotisch, aber gerade dafür liebte ich sie. Ich war in einer völlig durchgeplanten Umgebung groß geworden. Mein Vater war der Senior Chef einer Anwaltskanzlei hier in NY die bereits in der 3. Generation geführt wurde. Wir waren reich, und das ließen mich meine Eltern auch immer spüren. Ja, ich sollte mich nicht beklagen, es gibt Schlimmeres. Aber ich kann ihnen sagen, manchmal ist es ein Fluch, reich zu sein. Aber ich schweife ab.
Als ich gerade meinen Lidstrich nachzog klopfte es an der Tür. Cynthia, eine gute Freundin die ich noch von der Uni kannte, ich musste ja schließlich auch Jura studieren um später mal die Praxis übernehmen zu können, legte den Nagellackpinsel zur Seite und ging zur Tür. „Bleib ruhig sitzen, Süße, ich mach schon auf.“ Sie öffnete die Tür und rief: „Es ist Sam Süße!“ und zu Sam gewandt: „Komm rein Kleines, wir haben schon auf dich gewartet.“
Ich drehte mich lächelnd auf meinem Stuhl herum und sah Sam an. Sie sah atemberaubend aus. Ihre lange braune Lockenmähne viel ihr über die Schultern, sie hatte ein rotes enges Kleid an, rote High Heels und hatte eine weiße Blume im Haar. Sie lächelte mich an und kam auf mich zu. Ich stand auf und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, so wie wir es immer taten, wenn Personen anwesend waren, die nichts von unserer Beziehung wussten. Aber ich sah ihr an, dass sie etwas bedrückte. Ich kannte sie gut, und ihr Gesichtsausdruck gefiel mir nicht. Schließlich war es mein Geburtstag und sie hatte mir noch nicht einmal gratuliert. „Ist alles in Ordnung Sam?“ Sam sah mich an. Dann schaute sie Cynthia an. „Cynthia, würdest du uns wohl einen Moment entschuldigen? Ich müsste etwas mit Sandy besprechen.“ Cynthia machte ihren Schmollmund und meinte: „Was habt ihr beiden denn so geheimnisvolles zu besprechen?“ „Es ist nichts, aber es ist schon sehr privat. Bitte, sei so gut“, Sam wirkte etwas nervös. Ich sah Cynthia an: „Bitte Liebes, sei so gut. Es wäre schön, wenn du mal unten im Saal nach dem Rechten schauen könntest. Ich wäre dir sehr dankbar.“
Cynthia schaute auf ihre Nägel und meinte: „Ok, ich werd mal sehen was da unten so los ist. Vielleicht probiere ich schon mal den Schampus. Bis gleich ihr zwei, und macht nicht so lang, ich will endlich mit George tanzen. Ich habe euch gesagt, der ist heute fällig.“
Ich musste lachen. „Ja Süße, das hast du schon öfter gesagt. Irgendwie scheint er deinem Charme nicht zu erliegen. Aber gib die Hoffnung nicht auf.“
Gut, dann bis gleich, tschaui ihr beiden.“ Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer.
Zur Friseurin gewandt meinte ich: „Nicole, würden sie wohl einen Moment draußen warten, wir machen dann gleich weiter.“ „Nicole lächelte freundlich: „aber ja, natürlich, rufen sie mich, wenn wir weitermachen können.“ Sie verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Nun waren wir allein und ich konnte Sam endlich in die Arme nehmen. Ich wollte sie küssen, aber sie wich vor mir zurück. Ich sah sie an. „Was ist los Baby? Alles in Ordnung mit dir? Ist etwas passiert?“
Sam wandte sich ab und ging zur Couch rüber um sich zu setzen. Kaum das sie saß, stand sie auch schon wieder auf. „Baby du wirkst nervös, langsam machst du mir Angst. Was ist denn nur los?“ Ich ging auf sie zu. Sam streckte einen Arm aus und sah mich an. Ihre braunen Mandelaugen sahen mich an und ich sah Traurigkeit in ihnen. Jetzt hatte ich wirklich Angst. Aber ich traute mich nicht mehr, etwas zu sagen.
Sam sah ich an. „Sandy, du weißt, dass ich dich liebe.“ Ich wollte etwas erwidern doch sie schnitt mir das Wort ab. „Nein, bitte lass mich ausreden, sonst verliere ich vielleicht den Mut, es dir zu sagen.“
Sie ging zum Fenster und sah hinaus. Mit zum Fenster gewandten Gesicht sprach sie weiter: „Sam, ich habe in den letzten Tagen, in denen du in Los Angeles warst viel über uns nachgedacht.“
Sie wandte sich wieder mir zu, ging aber nicht vom Fenster weg. Ich stand wie angenagelt und konnte nichts sagen. In meinem Kopf schwirrte es, mein einziger Gedanke war: ‚ hoffentlich macht sie nicht mit mir Schluss. Ohne sie kann ich mir mein Leben gar nicht mehr vorstellen. Oh bitte, lieber Gott, lass sie nicht mit mir Schluss machen. ´
Jetzt sah sie mir direkt in die Augen. „Sandy, ich habe immer gesagt, dass es mir nichts ausmachen würde unsere Liebe geheim zu halten. Wegen deiner Eltern, deinem Beruf und weshalb auch immer.“
Ich sah sie an. Was wollte sie mir da gerade sagen? „Ja, das weiß ich doch, und deshalb bin ich dir ja auch sehr dankbar. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich mich nicht outen kann. Jedenfalls jetzt noch nicht. Aber da war ich mir meiner Gefühle dir gegenüber auch noch nicht wirklich sicher.“
Ich weiß und ich habe das auch immer respektiert. Aber Sandy, ich kann das nicht mehr. Ich liebe dich so sehr, ich kann es nicht ertragen von dir getrennt zu sein. Aber wenn wir dann zusammen sind müssen wir uns verstecken wenn wir uns küssen möchten oder wenn ich nur deine Hand halten will. All dies muss heimlich geschehen.“
Ja, aber das wird nicht für immer sein“, erwiderte ich und ging einen Schritt auf sie zu. „Ich liebe dich doch auch und möchte auch mit dir zusammen sein. Aber ich kann unsere Beziehung nicht öffentlich machen, jedenfalls jetzt noch nicht.“
Ich sah ihr ins Gesicht und bemerkte Tränen in ihren Augen, ich bekam ein übles Gefühl in der Magengegend. Mein Bauch sagte mir, dass ich sie jetzt in den Arm nehmen will aber mein Kopf hielt mich davon ab. Also hörte ich einfach weiter zu. Es fing an in meinen Ohren ganz übel zu rauschen.
Sandy, was ich dir sagen muss, ich kann nicht mehr so weitermachen. Ich will dich berühren wann immer ich will, ich will der Welt zeigen, wie glücklich wir sind und ich will dich küssen, wann und wo ich will. Ich weiß, dass klingt bestimmt sehr egoistisch für dich aber es ist das was ich fühle. Ich will meine Gefühle für dich nicht mehr verstecken. Wir kennen uns nun schon fast 2 Jahre und ich halte das Versteckspiel einfach nicht mehr aus.“ Tränen liefen ihr über die Wangen und mir zerriss es gerade das Herz. In meinen Ohren rauschte es wie ein Orkan und ich konnte nicht mehr klar denken.
Ich starrte sie an, auch in mir stiegen die Tränen hoch. Warum musste sie alles kaputt machen? Warum gerade jetzt. Heute war doch mein Geburtstag. Das konnte doch nicht sein. Das war doch nur ein böser Traum. So etwas passiert mir nicht. Nicht Heute.
Ich ging auf sie zu und versuchte sie in die Arme zu nehmen. Sie wich vor mir zurück. „Nein, bitte nicht, sonst überlege ich es mir doch noch anders.“
Da standen wir nun, sahen uns an und heulten beide. Das absolute Lesben-Drama. Ich hätte nie geglaubt, dass das einmal passieren würde. Es lief doch alles so gut. Was war denn nur passiert?
Mit tränenerstickter Stimme fragte ich sie: „Hast du eine Andere?“ „Nein, sei nicht albern. Ich liebe dich und nur dich. Ich kann einfach nur nicht mehr gegen meine Gefühle an.“
Gut, aber was sollen wir denn nun machen? Unten im Saal warten über 150 Leute auf mich um mit mir zu feiern, was soll ich denn nun tun?“
Wirst du dich zu mir bekennen? Hier und Heute? Kannst du das für mich tun?“
Ich sah sie an. In meinem Kopf wirbelten die Wörter durcheinander aber irgendwie formierten sie sich nicht zu ganzen Sätzen. Ich musste mich erst einmal setzen. So Sandy, jetzt dreh bloß nicht durch, beruhig dich erst einmal. Ich holte mehrmals tief Luft. Langsam wurde ich ruhiger.
Ich sah Sam wieder an. „Baby, du weißt dass ich dich liebe und immer zu dir stehen werde. Aber bitte verlange das nicht von mir. Bitte nicht heute. Das kann ich meinen Eltern nicht antun. Die werden garantiert in Ohnmacht fallen. Die ahnen doch nichts.“
Bist du sicher, dass sie nichts ahnen? So blind kann man doch gar nicht sein.“
Sam, lass uns doch später noch mal in Ruhe darüber reden. Wir finden eine Lösung.“
Sandy, es gibt nur eine Lösung. Stehst du zu mir?“
Ich sprang auf. „Ja, verdammt, natürlich, aber ich muss das in Ruhe angehen. Ich kann meine Leute nicht so vor den Kopf stoßen.“
Sam sah mich an. Ihre Tränen waren getrocknet. Sie hatte einen harten Zug um die Mundwinkel. Sekundenlang sagte keine von uns etwas. Dann nahm sie ihre Tasche vom Tisch, ging Richtung Tür und drehte sich kurz bevor sie sie erreicht hatte noch einmal zu mir um. „Gut, dann werde ich jetzt gehen. Sag mir Bescheid, wenn du so weit bist. Aber erwarte nicht, dass ich ewig darauf warte.“
Sie drehte sich um und öffnete die Tür und machte Anstalten das Zimmer zu verlassen. Dann drehte sie sich noch einmal zu mir um. „Ach übrigens, alles Gute zum Geburtstag.“ Dann verließ sie den Raum.
Die Tür schloss sich und ich stand da, starrte auf die Tür und überlegte, was da gerade passiert war.

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