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Sonntag, 13. Dezember 2015

Eine kleine Weihnachtsgeschichte

Das Glöckchen

Es begab sich vor langer Zeit. Dicht fiel der Schnee in der bitterkalten Dezembernacht auf die hohen Wipfel der Tannen. Kein Geräusch drang durch den tiefen Schnee zu dem kleinen Haus am Waldesrand. Dort lebte die achtjährige Rosemarie mit ihrer alten Großmutter.
Rosemarie stand am Fenster und schaute den tanzenden Schneeflocken zu, während die Großmutter das Essen zubereitete. Plötzlich vernahm Rosemarie ein helles Klingeln. Zunächst dachte sie, sie hätte sich getäuscht, doch da war es schon wieder, sie konnte es deutlich vernehmen.
„Großmutter, Großmutter!“ Mit langsamen, schlurfenden Schritten näherte sich diese dem Fenster. „Was ist denn mein Kind?“ „Komm, komm schnell. Ich habe ein Glöckchen gehört.“ „Ein Glöckchen? Aber Rosemarie, wo soll denn hier ein Glöckchen herkommen? Hier ist doch weit und breit Niemand.“
„Doch Großmutter. Ich habe es sehr deutlich vernommen. Es war zwar sehr leise aber ich habe es gehört. Es kam von dort, wo der Weg in den Wald führt.“
Sie wies mit ihrer kleinen Hand in die angegebene Richtung.
„Ach, meine Kleine. Du hast dich bestimmt verhört. Da draußen ist doch nichts. Komm jetzt zum Essen, sonst wird es noch kalt und das wäre sehr schade.“
Aber Rosemarie hörte nicht auf ihre Großmutter, warf sich ihren Wollumhang über die Schultern, nahm die Laterne vom Haken neben der Tür, öffnete diese und stapfte in den hohen Schnee hinaus. Sie richtete den Lichtschein auf den Waldweg der zu ihrer Hütte hinauf führte.
Zuerst konnte sie nichts erkennen, ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Langsam ging sie Schritt für Schritt weiter. Plötzlich erschrak sie. Beinah hätte sie die Laterne fallen gelassen. 
 
 
Zwei funkelnde Augen, hell wie Bernstein, leuchteten ihr entgegen. Sie hob die Laterne noch etwas an und erkannte dann ein kleines, schwarzweiß geflecktes Kätzchen. Es sah sehr abgemagert aus und schaute sie verschreckt an. Rosemarie erkannte, dass dieses Kätzchen um den Hals ein rotes Band trug und an diesem Band hing ein kleines Glöckchen. Langsam und vorsichtig näherte sich Rosemarie ihm. Doch sobald sie einen Schritt nach vorn machte, sträubte das Kätzchen sein Fell und scheute zurück. Mit leiser Stimme sagte Rosemarie: „Hallo, wo kommst denn du her? Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, ich tue dir nichts. Ich möchte dir helfen. Du siehst aus, als ob du schon länger keine richtige Mahlzeit mehr bekommen hättest.“
Das Kätzchen legte den Kopf schief, als ob es jedes Wort verstehen würde, miaute kleinlaut und ließ es zu, dass Rosemarie sich ihm näherte. Aber das struppige Fell sträubte sich immer noch. Behutsam streckte Rosemarie ihre kleine Hand aus um es zu streicheln und das Kätzchen ließ es zu. Schaute aber immer noch etwas ängstlich aus seinen großen leuchtenden Augen. Doch schließlich legte sich das struppige Fell und es fing sogar an zu schnurren.
Schließlich nahm Rosemarie das Kätzchen ganz behutsam auf den Arm. Sie konnte spüren, wie abgemagert es war. Eng schmiegte sich der ausgemergelte kleine Körper an den ihren. „Gleich wird dir wieder warm werden und dann bekommst du auch etwas Leckeres zu essen, “ flüsterte Sie dem Kätzchen ins Ohr.
Schnell lief sie zur Hütte zurück, trat ein und setzte sich mit ihrem Findelkind an den großen Kachelofen.
„Wen hast du denn da gefunden?“ fragte ihre Großmutter und sah mit traurigem Blick auf den armseligen Körper. Sie schlurfte zum Küchenschrank und nahm eine kleine Schüssel heraus, stellte sie vor den Ofen und gab etwas Milch hinein.
Rosemarie setzte das Kätzchen auf den Boden und zog die Schüssel etwas näher heran. Vorsichtig näherte sich das Kätzchen, schnupperte, lief um die Schüssel herum und fing langsam an zu schlecken. Rosemarie strahlte ihre Großmutter an. „Na, dir schmeckt es aber sehr gut. Friss dich nur richtig satt.“
Die Großmutter neigte denn Kopf, „wo es wohl her kommt? Es sieht sehr abgemagert aus. Ob es ausgesetzt wurde?“
„Tja, es muss weit gelaufen sein, der nächste Hof ist hinter dem Wald.“
Die Großmutter streichelte das Kätzchen und schaute Rosemarie an. „Was machen wir denn nun mit ihm?“
Rosemarie sah sie mit flehenden Augen an. „Können wir es nicht behalten? Wir können es doch nicht in den Schnee zurückschicken. Es würde elend eingehen.“
„Schon gut, schon gut“, lachte ihre Großmutter, „das würde ich auch nicht übers Herz bringen. Wo zwei satt werden, wird auch noch ein dritter satt.“
Rosemarie sprang auf, nahm ihre Großmutter in den Arm und sprach mit tränenerstickter Stimme: „Danke, danke, danke.“
„Kind, nicht so stürmisch, du erwürgst mich ja noch. Schließlich kann es sich, wenn es älter ist, mit der Jagd auf Mäuse nützlich machen.“
„Ich verspreche dir, ich werde mich gut um es kümmern.“
„Nun da wir das geklärt hätten, wie willst du es denn nennen?“
Rosemarie hob das Kätzchen auf und setzte sich an den Küchentisch. Nachdenklich streichelte sie das struppige Fell. Dann sah sie ihre Großmutter an.
„Ich denke, ich werde es Glöckchen nennen. Ja, das ist genau der richtige Name, wenn man bedenkt wie ich es gefunden habe.“
„Mmmhh, ja ich denke das passt. Also, Rosemarie und Glöckchen, lasst uns zu Abend essen.“

Es vergingen die Tage. Weihnachten kam immer näher und Glöckchen erholte sich zusehends. Es wurde größer und kräftiger. Als Rosemarie und ihre Großmutter eines langen Winterabends, kurz vor Weihnachten, am Kachelofen saßen, das Kätzchen zu ihren Füßen, hörte Rosemarie ein Geräusch. „Großmutter, ich habe draußen etwas gehört.“ Die Großmutter sah auf und legte ihr Strickzeug zur Seite. „Bist du sicher? Ich kann nichts hören.“
Rosemarie stand auf und lief zum Fenster. Sie sah in die verschneite Nacht hinaus und konnte bei dem dichten Schneetreiben zunächst nicht viel erkennen. Aber irgendwie ließ sie das Gefühl nicht los, das da draußen jemand war. Angestrengt versuchte sie das Schneegestöber mit den Augen zu durchdringen. Um ihre Beine schmiegte sich Glöckchen und schnurrte zufrieden vor sich hin. Plötzlich blieb es stehen, lauschte, lief zur Tür und miaute lautstark los. Jetzt stand auch die Großmutter aus ihrem alten Schaukelstuhl auf und schlurfte zum Fenster. Sie stellte sich hinter Rosemarie und schaute mit zusammengekniffenen Augen hinaus.
„Ich kann nichts erkennen. Hast du schon etwas entdeckt?“
„Nein, bisher nicht, aber Glöckchen benimmt sich so komisch, findest du nicht?“
Plötzlich tauchte aus den dichten Schneeflocken eine Gestalt auf. In der Hütte hielten beide den Atem an. Sie kam immer näher auf das Häuschen zu. Da rief Rosemarie: „Das ist der Bauer Klöpfel. Schau Großmutter, aus dem Nachbardorf.“
Die Großmutter sah genauer hin. Tatsächlich, es war Alois Klöpfel. Sie schlurfte zur Tür. Bauer Klöpfel lehnte gerade seinen Wanderstock an die Hüttenwand und klopfte sich den Schnee von den dicken Stiefeln. „Hallo ihr zwei, “ rief er, drückte Rosemarie herzlich an seine Brust und gab der Großmutter einen kräftigen Händedruck. „Hallo Alois, was führt sie bei diesem Wetter zu uns?“
„Nun, ich wollte mal sehen, wie es euch geht. Ob ihr noch nicht eingeschneit seid. Schließlich schneit es schon seit Tagen ununterbrochen. Ich dachte, ich sehe mal nach dem Rechten.“
„Ach, uns geht es gut. Schauen sie mal was ich im Wald gefunden habe, “ rief Rosemarie und hob Glöckchen auf ihren Arm.
„Oh, die ist aber niedlich.“ Der Bauer wandte sich an die Großmutter: „Es gibt noch einen anderen Grund, weshalb ich gekommen bin Oma Gangler. Es war ein Mann auf unserem Hof. Er hat nach euch gefragt. Er kam mit einem großen Schlitten der von sechs Rentieren gezogen wurde und hoch beladen war. Er hatte einen langen Bart und einen knöchellangen Mantel an. Ich habe versucht herauszubekommen was er von euch will, doch er schwieg sich in dieser Richtung aus. Er bat mich, ihm den Weg zu beschreiben. Ich habe mich sofort auf die Socken gemacht, über meine Schleichwege, quer durch den Wald, um eher hier zu sein. War er schon hier?“
„Nein“,  antwortete die Großmutter, „hier war niemand. Wir haben seit Tagen keine Menschenseele gesehen.“
„Dann bin ich ja noch rechtzeitig gekommen, um euch zur Vorsicht zu mahnen. Er machte zwar einen sehr netten Eindruck, aber man weiß ja nie. Er erwähnte noch, dass er etwas verloren hätte.“
Die Großmutter stemmte die Hände in die Seiten. „Tja, wenn er etwas will, wird er schon kommen. Bei uns ist nichts zu holen. Wir bieten ihm gern einen Platz an unserem Kachelofen und eine heiße Suppe an. Komm Alois, setzen sie sich zu uns an den Ofen und wärmen sie sich auf.“
„Ja, Großmutter, gib ihm doch eine Tasse von deiner leckeren heißen Schokolade.“
„Oh, das wäre schön, die wärmt mich bestimmt von innen wieder auf.“
Der Bauer setzte sich auf die Ofenbank und nahm dankend die Tasse mit der dampfenden Schokolade entgegen. Rosemarie und ihre Großmutter setzten sich zu Bauer Klöpfel und alle drei spekulierten noch eine Weile über den fremden Mann.

 

Wie sie da noch saßen und rätselten, was dieser Mann wohl von ihnen wollte, hörten sie draußen plötzlich helle Schellen erklingen. Gefolgt von einem lauten „Hoooohhh!“
Die drei sahen sich erstaunt und auch ein klein wenig erschrocken an. Dann klopfte es lautstark an die Tür. Klong, klong, klong!
Es war laut, bestimmend, aber auch irgendwie freundlich.
Als erste erwachte die Großmutter aus ihrer Erstarrung. Sie schlurfte zur Tür, dicht gefolgt von Rosemarie. Vorsichtig öffnete sie diese und draußen stand der Mann, den Bauer Klöpfel beschrieben hatte. Rosemarie versteckte sich hinter ihrer Großmutter und schlug ihre kleine Hand ängstlich vor den Mund.
Der Mann begann mit einer tiefen wohltönenden Stimme zu sprechen: „Guten Abend Großmutter Gangler, hallo Rosemarie, ach, und Bauer Klöpfel ist auch da. Das ist schön, dass ich sie hier wiedertreffe.“
Er schaute auf die Großmutter herab, lächelte und reichte ihr seine große Hand.
Freundlich fragte er: „darf ich eintreten?“ Mit einem herzlichen Händedruck schritt der Unbekannte große Mann an der Großmutter vorbei und betrat die Stube. Glöckchen wurde ganz unruhig auf Rosemaries Arm, fing an zu miauen und wollte unbedingt auf den Boden. Da sich das Kätzchen wie wild gebärdete setzte sie es ab. Kaum stand es auf seinen vier kleinen Pfoten lief es auf den großen Mann zu. Er fing an zu lachen und beugte sich, sichtlich überrascht, zu ihm hinunter. „Hier steckst du also. Ich habe dich im ganzen Land gesucht. Das ist ja eine tolle Überraschung.“
Rosemarie bekam den Mund vor Staunen nicht mehr zu. „Ist das etwa dein Kätzchen?“ Der Mann packte Glöckchen am Nacken und hob es auf seinen Arm. Er kraulte ihm den Nacken und es fing sofort an zu schnurren.
„Ja, ich habe es auf meiner langen Reise irgendwo verloren. Ich habe es leider erst zu spät bemerkt. Ich wusste nicht mehr, wo ich suchen sollte. Es war wie vom Erdboden verschwunden.“ Zu dem Kätzchen sagte er: „Ich bin so froh, dass ich dich wieder habe.“ Als ob Glöckchen ihn verstehen könnte, schmiegte es seinen Kopf an seine breite Brust. „Wie ist es hierhergekommen?“ fragte er an Rosemarie gewandt.
„Ich habe es im Wald vor unserer Hütte gefunden. Es war ganz ausgemergelt und sein Fell war ganz struppig. Ich bin durch das Glöckchen um seinen Hals auf es aufmerksam geworden. Wir haben es aufgenommen und wieder aufgepäppelt. Es hat sich schon sehr gut erholt.“
Der Mann brummte zufrieden. „Ja, das kann ich sehen. Es sieht sehr zufrieden aus.“
Die Großmutter bat den stattlichen Mann doch am Küchentisch Platz zu nehmen. Sie reichte auch ihm eine Tasse von ihrer leckeren heißen Schokolade. Da sie ihn alle mit großen Augen anschauten, begann der unbekannte, aber doch irgendwie faszinierende fremde Mann, seine Geschichte zu erzählen.
Er war in der ganzen Welt herumgereist und das alles mit seinem großen Rentierschlitten. Rosemarie bekam den Mund vor Staunen nicht mehr zu. All die tollen Geschichten aus den weit entfernten Städten. Auch die Großmutter und Bauer Klöpfel lauschten aufmerksam den Erzählungen des Mannes. Rosemarie schaute den Fremden verstohlen von der Seite an, sie wusste sicher, sie hatte ihn noch nie gesehen, und doch kam er ihr irgendwie bekannt vor.
Komisch, aber je mehr sie darüber nachdachte, umso vertrauter wurde er ihr. Sie schüttelte unmerklich den Kopf, um diese absurden Gedanken zu verscheuchen. Der Mann beendete gerade seinen Reisebericht und stand auf.
„So, nun habe ich eure Gastfreundschaft lange genug in Anspruch genommen. Aber bevor ich mich wieder auf den Weg mache, möchte ich euch noch etwas Gutes tun. Ihr habt so lieb auf mein Kätzchen geachtet und es behütet.“
Und mit einem Zwinkern in Rosemaries Richtung fügte er noch hinzu: „Und außerdem ist ja bald Weihnachten.“ Er stupste mit seinem Zeigefinger auf Rosemaries Nase. Sie musste unwillkürlich kichern.
„Ich gehe nur mal schnell zu meinem Schlitten, bin sofort wieder da.“ Sprachs
und verließ die Hütte. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte stapfte er durch den tiefen Schnee zu seinem Gefährt.
Die drei Menschen in der Hütte sahen sich an. „Unglaublich, aber irgendwie habe ich das Gefühl, ich kenne ihn“, sinnierte Bauer Klöpfel und strich nachdenklich über seinen zotteligen Bart. Die Großmutter sagte gar nichts, nahm die Tasse des Fremden und stellte sie zum Abwasch in die Schüssel. Die Tür öffnete sich und der Fremde betrat wieder die Hütte. Über die Schulter hatte er einen großen Sack aus Jute geworfen, er war prall gefüllt. Er nahm ihn herunter und stellte ihn auf den Tisch in der Stube. „Hier sind ein paar Lebensmittel drin, die euch für einige Zeit durch den harten Winter bringen werden.“
Mit einem Augenzwinkern in Rosemaries Richtung fügte er noch hinzu: „und außerdem noch ein paar Süßigkeiten für dich.“
„Es sind auch noch einige nützliche Dinge enthalten. Ich hoffe, ich habe das Richtige eingepackt.“ Er stellte den schweren Sack neben den Kachelofen und wandte sich wieder den dreien zu. „So ihr Lieben, nun muss ich aber wirklich aufbrechen. Ich bin noch nicht am Ende meiner Reise.“ Er schritt auf die drei zu und gab einem nach dem anderen die Hand. „Ich wünsche euch ein friedvolles Weihnachtsfest und einen ruhigen Start in das neue Jahr.“ Mit diesen Worten winkte er allen zu und ging aus der Tür, die schwer hinter ihm ins Schloss fiel. Die drei Zurückgelassenen schauten sich einen Moment an und liefen dann zum Fenster. Aber obwohl es nicht mehr schneite konnten sie ihn draußen nicht entdecken. So angestrengt sie auch schauten. In der Ferne hörten sie leise Schellen klingen. Niemand von den dreien sagte etwas. Nach einer Weile sprach Rosemarie nachdenklich in die Stille hinein: „Glaubt ihr eigentlich an den Weihnachtsmann?“ Die Großmutter und Bauer Klöpfel schauten sich an, dann wieder aus dem Fenster und dann zu Rosemarie.
Draußen fiel wieder leise der Schnee………


E N D E


Sonntag, 8. März 2015

Die Prinzessin auf dem weißen Pferd - Ein modernes Märchen



Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, da lebte eine Frau mittleren Alters, mit goldenen Haaren und blauen Augen. Sie lebte ganz allein in ihrer kleinen bescheidenen Behausung. Sie glaubte, sie wäre glücklich und alles liefe seinen richtigen Weg.
Früher einmal hatte sie von der großen romantischen Liebe geträumt. Wie alle kleinen Mädchen hoffte sie, dass eines Tages ein Prinz auf einem großen weißen Pferd daherkomme und sie mit sich nimmt, in sein großes Schloss.
All ihre Freundinnen spielten damals mit Puppen, sie, nennen wir sie Bibiane, hatte nie wirklich Interesse an Puppen. Sie fand sie sogar doof. Bibiane spielte viel lieber mit Autos und Teddys. Beim Mutter und Kind spielen, wollte sie immer der Vater sein. Nie die Mutter oder das Kind.
Ihre Mutter machte sie immer recht hübsch, mit Kleidern und Spangen im Haar. Die allerdings nicht lange in ihrem dünnen goldenen Haar hielten. Überhaupt spielte sie viel lieber mit Jungen als mit Mädchen. Die waren ihr zu langweilig. Wollten nur mit Puppen spielen und über Jungs reden.
Bibiane kletterte lieber auf Bäume, buddelte in der Erde oder ging mit den Nachbarsjungen, im Wäldchen nebenan, auf Abenteuerreise.
Schnell merkte sie, dass sie lieber Hosen als Kleider trug und auch keine Angst davor hatte, sich dreckig zu machen.
Ihre Mutter verzweifelte schon manchmal, wie verdreckt Bibiane manchmal nach Hause kam. Und auch sonst, war sie für jeden Streich zu haben.
Klingelmännchen in der Nachbarschaft, Telefonstreiche, einfach mit dem Fahrrad in die nächste Stadt fahren, ohne den Eltern etwas davon zu sagen.
Sie war ein richtiger Lausbub und hatte an Jungen überhaupt kein Interesse. Nur als Spielkameraden waren sie ihr sehr willkommen.

Dann wurde Bibiane älter. Sie kam in die Schule und lernte neue Freundinnen kennen. Diese schwärmten wieder nur von Jungen, wie toll und stark die wären und stritten sich darüber, wer am besten küssen konnte.
Bibiane verstand diese ganze Hysterie nicht. Aber sie machte mit, um dazu zu gehören. Sie ging auf ihre ersten Partys, tanzte mit irgendwelchen Jungen, die ihr eigentlich völlig egal waren und knüpfte die ersten zarten Bande.
Ihre erste sexuelle Erfahrung machte sie dann mit vierzehn Jahren. Sie trat
einer Musikkapelle bei und lernte dort einen Jüngling in ihrem Alter kennen.
Im Haus seiner Eltern und auch noch in deren Bett, machte sie dann die erste Bekanntschaft mit einem erregten Glied. Aber da war nur anfassen. Mal kurz berühren, sie traute sich nicht einmal genauer hinzusehen. Diese „Beziehung“ dauerte dann auch nicht mehr lange. Bibiane war froh, als sie beendet war.
Danach folgte lange nichts. Um nicht als sonderlich zu gelten, spielte sie das Spiel ihrer Freundinnen mit. Sie sprach über Jungs und Männer, schwärmte für den einen oder anderen Filmstar oder Sänger, log darüber, dass sie schon Sex gehabt habe, nur um dazu zu gehören. Obwohl Bibiane schon immer sehr selbstbewusst war und auch immer schon genau wusste was sie wollte, war ihr die Freundschaft zu den anderen Mädchen und später Frauen, doch sehr wichtig. Überhaupt war sie immer sehr harmoniebedürftig und konnte es nicht haben, wenn sie mal Streit mit einer Freundin hatte.
Als sie älter wurde, merkte sie, dass ihre Freunde sich immer auf sie verließen. Sie arrangierte die Fahrer, wenn es in die Disko gehen sollte, sie machte Vorschläge, wenn wieder keiner mal wusste, was sie unternehmen sollten. Und alle akzeptierten sie. Aber Bibiane wurde auch oft von Freundinnen enttäuscht. Aber das hielt sie nie davon ab, zu verzeihen und zu vergeben. Manche Freundin hat sie für einen Jungen oder Mann fallen gelassen. Aber sie verlor nie den Glauben an die Liebe oder die Freundschaft.

Bibiane war ein Spätzünder, was den Sex betraf. Entjungfert wurde sie von ihrem zweiten Freund im Auto mit dem Finger. Richtiger Sex kam dabei nicht zustande. Auch diese Beziehung beendete sie schnell wieder. Dann kam der Mann, mit dem sie ihren ersten Sex haben sollte. Es war nicht romantisch, nicht schön und sie war froh, als es vorbei war. Es geschah auf dem Beifahrersitz seines Autos. Sie fühlte nichts dabei, nur einen unangenehmen Schmerz. Danach schliefen sie öfter zusammen und es wurde besser und Bibiane bekam sogar richtig Spaß daran. Dieser Freund konnte sehr lange Sex machen, was ja eigentlich nicht schlecht war, doch das Ganze war für Bibiane eine Tortur. Während er sich auf ihr abmühte um zum Höhepunkt zu kommen, wartete sie nur darauf, dass er endlich fertig werde. Manchmal war sie schon trocken, während er noch weiterrubbelte. Einen Orgasmus hatte sie nie. Das änderte sich auch nicht bei ihren anderen Freunden. Sie hatte zwar mehr Spaß am Sex, war aber immer darauf bedacht, dass er seinen Spaß hatte. Ihre Erfüllung stellte sie immer hinten an. Orgasmen spielte sie immer vor, damit die Männer dachten, sie machten alles richtig.
Ihre Beziehungen hielten immer nur ein bis zwei Jahre maximal. Und immer war sie froh, wenn es vorbei war. So groß die Verliebtheit am Anfang auch war, am Ende war sie glücklich, wieder allein zu sein. Nach ihrer letzten Beziehung mit Mitte dreißig, hatte sie dann noch einige One Night Stands bis sie schließlich für sich beschloss, endgültig mit der Liebe abzuschließen.
Ihre Beziehungen waren am Ende immer so enttäuschend gewesen, dass sie sich diesen Gefühlen nicht mehr aussetzen wollte.

Doch dann geschah etwas Seltsames. Sie hatte zwar schon immer bemerkt, dass sie die eine oder andere Freundin auf eine andere Art mochte, als normale Freundschaft. Sie ertappte sich manchmal dabei, wie sie sich vorstellte ihre Freundin zu küssen, oder gar Sex mit ihr zu haben. Am Anfang errötete sie innerlich immer dabei und verdrängte diese Gedanken.
Doch je mehr Zeit ins Land ging und je länger Bibiane allein lebte überkam sie mehr und mehr das Gefühl, dass da etwas war, was sie sich nicht erklären konnte. Oder doch?
Sie ertappte sich dabei, wie erregt sie wurde, als in einem Film zwei Frauen sich küssten und Sex miteinander hatten. Ihr gefiel die Vorstellung mehr und mehr. Bibiane fing an speziell nach Filmen zu suchen, in denen Frauen Sex miteinander hatten. Sie las Bücher, Liebesgeschichten in denen Frauen in Frauen verliebt waren. Doch ihr war klar, auch wenn sie diese Vorstellung erregte, mit einer Frau Sex zu haben, sie würde das niemals ausleben können. In ihrem Lande war es zwar nicht verboten gleichgeschlechtliche Beziehungen zu haben, aber sie könnte das ihren Eltern niemals erklären. Sie würden das nicht verstehen. So wie sie über Homosexualität dachten, hätte es gar keinen Sinn. Und Bibiane wollte von ihren Eltern nicht verstoßen werden.
Also lebte sie ihre Fantasien ganz im Geheimen aus, lies Filme in ihrem Kopfkino ablaufen, las Bücher und sah sich Filme und Serien über das Thema lesbisch an.
Viele Jahre ging das so, ihre Freunde hatten nicht die geringste Ahnung, was in ihr vorging. Bibiane baute eine Mauer um sich herum auf. Sie spielte eine Rolle und das verdammt gut. Sie ließ niemanden hinter ihre Fassade blicken und spielte ihren Part. Sie lebte viele Jahre allein, war glücklich dabei, ging mit Freunden aus, hatte Spaß und arrangierte sich mit der Situation. Doch innerlich blieb die unerfüllte Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Liebe, Verständnis und sexueller Erfüllung. Aber das hätte sie niemals zugegeben. Wenn die sexuelle Spannung zu groß wurde entspannte sie sich selbst und das reichte ihr. Sie war glücklich und zufrieden bis, ja, bis dann eines Tages…

Bibiane war schon immer eine begeisterte Schreiberin. Sie hatte so viele Geschichten im Kopf, die sie gern zu Papier bringen wollte. Doch schreiben macht nur halb so viel Spaß, wenn es weiter keiner liest. Also beschloss sie, im Internet einen Blog einzurichten. Das war nichts Ungewöhnliches in dem Königreich, in dem sie lebte. Anonym richtete sie eine Seite ein, auf der sie über ihre Gedanken und Gefühle zum Thema Liebe zwischen Frauen schreiben konnte. Sie schrieb den einen oder anderen Artikel. Zunächst sahen nicht viele Leser ihre Seite. Aber das war ihr egal, schließlich schrieb sie ja in erster Linie für sich. Doch dann kamen immer mehr Leser dazu. Sie bekam auch den einen oder anderen Kommentar. Doch für ihren Geschmack waren das zu wenige. Also startete Bibiane einen Aufruf auf ihrer Seite und bat um mehr Resonanz.
Zunächst geschah nichts, doch dann, plötzlich, eine Email von einer unbekannten Frau. Sie benutzte das Pseudonym Marlene Schanze. Sie schrieb Bibiane einen kurzen Brief in dem sie ihr mitteilte, dass sie ihre Seite sehr ansprechend fände. Dass sie in einer festen Beziehung mit einem Mann lebe und sie ihre Gefühle auch nicht ausleben könne.
Bibiane freute sich über die kurze Nachricht. Hatte sich doch bisher niemand sonst geäußert. Also schrieb sie dieser Unbekannten zurück.
Daraus entwickelte sich ein mehr oder weniger regelmäßiger Emailaustausch.


Fortsetzung folgt……




Alle Namen und Orte sind frei erfunden.

Sonntag, 25. Januar 2015

Sonntag, 18. Januar 2015

Das Licht am Ende des Tunnels



Als ich diesen Blog angefangen habe, hätte ich niemals gedacht, dass ich über diese Seite einen Menschen kennenlernen würde, der mein Leben so auf den Kopf stellt.
Ich schreibe diesen Blog, um meine Gedanken und Träume mitzuteilen. Mit einer Reaktion habe ich nicht wirklich gerechnet. Auf meiner Seite habe ich dann irgendwann einen Aufruf gestartet, mir doch zu schreiben, ich wollte einfach mal etwas Feedback. Lange kam nichts. Doch dann, Anfang letzten Jahres schrieb mich eine Frau an.
Aber ich muss etwas ausholen. Ich bin ein Mensch, in dessen Leben Menschen (Männer, Freunde, Bekannte) kamen und gingen. Beziehungen hatte ich nur mit Männern und eigentlich war ich immer ganz froh, wenn sie wieder verschwunden waren. Und irgendwann habe ich dann beschlossen, keine Beziehungen mehr einzugehen. Ich dachte, ich wäre Beziehungsunfähig und es läge an mir. Da wusste ich aber noch nicht, wie recht ich hatte. Ich baute eine Mauer um mich herum und ließ niemanden hindurch.
Es gibt Freunde zum leben und Freunde fürs Leben. Ich hatte und habe immer nur die erste Variante gehabt. Mein Leben war gut, ich war glücklich, hatte mich mit der Situation arrangiert. Ich brauchte sonst nichts in meinem Leben.
Bis ich dann vor einiger Zeit feststellte, dass ich doch vielleicht auf Frauen stehe. Aber ich hatte nie den Mut das zu leben.
Dann schrieb mich diese besagte Frau an. Sie lebt in einer Beziehung mit einem Mann, mag aber Frauen. Ein wenig verzwickt sagen sie, ja das ist wohl wahr. Aber das Leben geht manchmal seltsame Wege.
Nun, am Anfang schrieben wir mehr oder weniger regelmäßig Emails hin und her. Wir tauschten uns aus und für mich war es auch nicht mehr. Ein Austausch mit einer Gleichgesinnten.
Doch dann wurde der Kontakt immer intensiver. Ich spürte, dass sie so empfand wie ich. Aber ich war noch immer sehr vorsichtig, wollte meine Mauer nicht einreißen lassen, keine Gefühle zulassen.
Doch je öfter wir schrieben, telefonierten und wieder schrieben merkte ich, wie sie mir immer wichtiger wurde. Zuerst dachte ich noch: Das kann doch nicht sein. Ein Mensch, den du nur über das Internet oder das Telefon kennst, kannst du doch nicht mögen.
Aber es war so. Ich freute mich über jede Nachricht von ihr, über ihre Komplimente, ihre Kommentare und ihre Gedanken. Ich kann mit ihr über alles reden und damit meine ich wirklich über alles.
Nach und nach fing meine Mauer an zu bröckeln. Bis ich sie kennenlernte wusste ich nicht, was in meinem Leben gefehlt hat. Ich entwickelte Gefühle für sie. Obwohl ich sie ja noch nicht wirklich kannte. Bis heute haben wir uns noch immer nicht persönlich kennengelernt, aber sie ist zu einem wichtigen Teil in meinem Leben geworden. Manchmal denke ich: Du bist total bekloppt. Einen Menschen, den du nicht persönlich kennst, dem du noch nicht einmal in die Augen geschaut hast, kannst du nicht mögen. Das ist total verrückt.
Aber das Schöne ist, sie ist genauso verrückt wie ich. Sie ist mir sehr wichtig geworden und ich fühle mich schlecht, wenn ich mal nichts von ihre „höre“.
Es ist ein tolles Gefühl, zu wissen, da ist jemand, der an dich denkt, dem du wichtig bist, auch wenn es nur aus der Ferne ist.
Gebraucht zu werden ist ein tolles Gefühl. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal wieder darüber freuen würde.
Obwohl ich auch Angst habe, Angst davor, dass jemand verletzt werden könnte.
Wir wollen uns bald treffen. Ich bin schon ganz aufgeregt und freue mich sehr darauf. Doch was, wenn es nicht so wird wie wir es uns wünschen?
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir verstehen uns auch im echten Leben oder, was wirklich sehr schade wäre, wir verstehen uns nicht.
Oder die Zuneigung beruht nur auf einer Seite. Auch das wäre sehr schlimm. Egal für wen. Eine wird dann auf jeden Fall enttäuscht sein.
Aber ich habe beschlossen, mich darauf einzulassen.
Ich möchte, dass es funktioniert. Was draus wird? Keine Ahnung. Aber ich habe für diese Frau schon so viel Gefühl entwickelt, dass ich einfach nicht mehr zurück kann. Ich mag sie sehr und ich vermisse sie, wenn ich nichts von ihr höre. Sie bringt mich zum Lachen und zum Nachdenken. Sie ist da, wenn ich sie brauche ohne aufdringlich zu sein. Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen und ihre Geheimnisse zu ergründen.
Sie hat einen guten Einfluss auf mich, ich habe wieder Spaß an Dingen, die ich schon lange nicht mehr so intensiv getan habe. Ich lese wieder viel, lasse das Fernsehen links liegen und höre lieber Musik und, und, und…..
Ich war überzeugt, ich sei glücklich, doch seit ich sie kenne weiß ich, es geht noch besser.
Ich sehe ein Licht am Ende des Tunnels.

p.s.: S. ich mag dich sehr und freue mich schon sehr darauf dich kennenzulernen. Du bist ein wichtiger Teil in meinem Leben geworden und ich möchte dich nie mehr missen.

Kapitel 11: Das Dorf in der Provence

Ich erwachte, als die Sonne mein Gesicht kitzelte, streckte und reckte mich. Mein Blick wanderte nach links und blieb auf Cassies schlafendem Gesicht ruhen. Gestern Abend waren wir zu kaputt um noch romantisch zu sein. Wir hatten uns ins Bett gelegt, eng aneinander gekuschelt und waren auch fast sofort eingeschlafen.
Nun sah ich in ihr wunderschönes Gesicht und musste unwillkürlich lächeln. Es war schon Wahnsinn, wie sehr ich diese Frau mochte. Jedes Mal, wenn ich sie ansah bekam ich ein wohlig warmes Gefühl im Bauch. Und es kribbelte mich überall. Ich war so froh, dass sie mit nach Paris gekommen war, auch wenn der Grund nicht ganz so schön war.
Oh, das erinnerte mich schlagartig an Hannah. Ich schaute auf die Uhr. Nein, es war noch früh, wir hatten noch etwas Zeit, bis wir zu unserem Termin an die Sorbonne mussten. Ich drehte mich auf die rechte Seite und schaute aus dem Fenster. Man konnte den Himmel sehen. Er war blau an diesem Morgen, mit einigen kleinen Schönwetterwolken.
Ich träumte so vor mich hin als ich plötzlich eine Bewegung hinter mir spürte. Cassie musste aufgewacht sein. Sie schmiegte mich in Löffelchenstellung an mich, legte ihren Arm um mich und hauchte mir ein: „Guten Morgen meine Süße“, ins Ohr.
Ich lächelte wieder.
Sie fing an meinen Nacken mit zärtlichen Küssen zu liebkosen. Ich musste leise aufstöhnen und konnte ihr Lächeln förmlich spüren.
„Ich weiß, dass dir das gefällt“, hauchte sie mir ins Ohr.
Ihre Hand wanderte langsam an meinem Körper hinunter. Jede Faser meiner Haut sehnte sich nach dieser Berührung und doch konnte ich meine Gedanken nicht von Hannah lassen.
Ich drehte mich abrupt um, gab Cassie einen Kuss und schob sanft, aber bestimmt ihre Hand zur Seite.
„Baby, sei mir nicht böse, aber ich bin in Gedanken immer noch bei Hannah. Ich kann mich einfach nicht entspannen“.
„Findest du nicht, dass du etwas übertreibst?“
Ich sah sie verständnislos an. „Du findest also, dass ich übertreibe?“
„Na ja, Hannah ist eine erwachsene Frau. Sie wird sich irgendwo vergnügen und sich schon bei dir melden, wenn sie es für richtig erachtet“.
Mit einem Satz war ich aus dem Bett.
„Wenn das deine Meinung ist, kann ich ja auch allein zu dem Termin mit Madam Boulanger gehen“. Ich wartete ihre Antwort nicht ab und stapfte wütend ins Bad. Geräuschvoll schloss ich die Tür.
Als ich unter der Dusche stand und das warme Wasser meine Muskeln entspannte bekam ich Gewissensbisse. Verdammt, ich hätte nicht so heftig reagieren sollen. Cassie hatte ja auch irgendwie recht. Vielleicht machte ich mir ja ganz umsonst Sorgen und Hannah fuhr jetzt irgendwo mit einem alten Renault durch die Gegend und amüsierte sich prächtig. Ich schüttelte vor mir selber den Kopf. Die Glastüren der Dusche waren mit Wasserdampf beschlagen, deshalb bemerkte ich Cassie erst, als sie die Tür öffnete. Sie war nackt und stieg zu mir in die Kabine. Ich drehte mich um und öffnete den Mund um mich zu entschuldigen. Doch sie legte ihren Zeigefinger auf meinen Mund, nahm mich in den Arm und küsste mich ganz sanft.
„Sorry Süße, ich weiß wie viel dir deine Tante bedeutet. Ich hätte das nicht sagen sollen“.
Gott, wie sehr ich diese Frau mochte.
„Nein, du hast ja recht. Ich überreagiere bestimmt“.
„Bestimmt nicht. Wir duschen jetzt, gehen in das kleine Bistro um die Ecke frühstücken und dann statten wir Madam Boulanger einen Besuch ab. Mal hören, was sie uns erzählen kann“.
Ich küsste sie leidenschaftlich. Wir liebten uns unter der Dusche und nach einem ausgiebigen Frühstück in dem kleinen Bistro war ich gestärkt für den Besuch bei Denise Boulanger.

Ich hatte zwar einen Wagen gemietet, doch den Stress in Paris zu fahren, wollten wir uns nicht antun. Mit der Metro fuhren wir zur Sorbonne, fragten uns zum Zimmer der Dekanin durch und klopften an die Tür. Nach einem freundlichen „Herein“ traten wir ein.
Die Sekretärin war eine junge Frau mit roten Haaren und Sommersprossen. Sie hieß Joy Carpenter, war Engländerin und Studentin an der Universität. Sie bat uns, noch einen Moment Platz zu nehmen, da der letzte Termin ihrer Chefin noch nicht beendet war.
Wir setzten uns auf ein kleines grünes Sofa, welches bestimmt schon mal bessere Zeiten gesehen hatte. Ich sah, wie Cassie Joy taxierte und wurde ein wenig eifersüchtig.
„Sie ist attraktiv, nicht wahr?“ raunte ich ihr ins Ohr.
Sie lächelte, sah mich an und flüsterte zurück: „Aber nicht so attraktiv wie du“.
Ich wurde rot. Verdammt, dass mir das immer noch passieren musste.
Cassie grinste mich frech an.
In diesem Moment ging die Tür zum Büro der Dekanin auf und ein schlaksiger junger Mann kam heraus. Er beachtete uns gar nicht, ging direkt zu Joy hinüber und setzte sich keck auf die Ecke ihres Schreibtisches.
„Na Joy, hast du dich nun entschieden, ob du heute mit auf die Schaumparty kommst“? fragte er sie auf Französisch.
„Ich dachte die sind in den 80ern ausgestorben“, raunte ich Cassie ins Ohr.
Joy stand auf, schubste den jungen Mann von ihrem Schreibtisch und kam auf uns zu.
„Madam Boulanger hat jetzt Zeit für sie, bitte folgen sie mir“.
„Och schade, jetzt erfahren wir nicht, ob sie mitgeht“, flüsterte mir Cassie zu.
Wir folgten der jungen Frau in das Büro der Dekanin. Es handelte sich um eine Frau Mitte 40, langes brünettes Haar, schlank und verdammt gut aussehend. Sie trat hinter ihrem Schreibtisch hervor und gab uns die Hand.
„Bon jour, sie müssen Miss Sandy Webster sein, schön sie kennenzulernen“, begrüßte sie mich in perfektem Englisch.
Dann gab sie auch Cassie die Hand und ich stellte sie als meine Freundin vor.
Madam Boulanger deutete auf eine gemütlich aussehende Sitzgruppe und wir drei nahmen Platz.          
 

Fortsetzung folgt.....