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Sonntag, 8. März 2015

Die Prinzessin auf dem weißen Pferd - Ein modernes Märchen



Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, da lebte eine Frau mittleren Alters, mit goldenen Haaren und blauen Augen. Sie lebte ganz allein in ihrer kleinen bescheidenen Behausung. Sie glaubte, sie wäre glücklich und alles liefe seinen richtigen Weg.
Früher einmal hatte sie von der großen romantischen Liebe geträumt. Wie alle kleinen Mädchen hoffte sie, dass eines Tages ein Prinz auf einem großen weißen Pferd daherkomme und sie mit sich nimmt, in sein großes Schloss.
All ihre Freundinnen spielten damals mit Puppen, sie, nennen wir sie Bibiane, hatte nie wirklich Interesse an Puppen. Sie fand sie sogar doof. Bibiane spielte viel lieber mit Autos und Teddys. Beim Mutter und Kind spielen, wollte sie immer der Vater sein. Nie die Mutter oder das Kind.
Ihre Mutter machte sie immer recht hübsch, mit Kleidern und Spangen im Haar. Die allerdings nicht lange in ihrem dünnen goldenen Haar hielten. Überhaupt spielte sie viel lieber mit Jungen als mit Mädchen. Die waren ihr zu langweilig. Wollten nur mit Puppen spielen und über Jungs reden.
Bibiane kletterte lieber auf Bäume, buddelte in der Erde oder ging mit den Nachbarsjungen, im Wäldchen nebenan, auf Abenteuerreise.
Schnell merkte sie, dass sie lieber Hosen als Kleider trug und auch keine Angst davor hatte, sich dreckig zu machen.
Ihre Mutter verzweifelte schon manchmal, wie verdreckt Bibiane manchmal nach Hause kam. Und auch sonst, war sie für jeden Streich zu haben.
Klingelmännchen in der Nachbarschaft, Telefonstreiche, einfach mit dem Fahrrad in die nächste Stadt fahren, ohne den Eltern etwas davon zu sagen.
Sie war ein richtiger Lausbub und hatte an Jungen überhaupt kein Interesse. Nur als Spielkameraden waren sie ihr sehr willkommen.

Dann wurde Bibiane älter. Sie kam in die Schule und lernte neue Freundinnen kennen. Diese schwärmten wieder nur von Jungen, wie toll und stark die wären und stritten sich darüber, wer am besten küssen konnte.
Bibiane verstand diese ganze Hysterie nicht. Aber sie machte mit, um dazu zu gehören. Sie ging auf ihre ersten Partys, tanzte mit irgendwelchen Jungen, die ihr eigentlich völlig egal waren und knüpfte die ersten zarten Bande.
Ihre erste sexuelle Erfahrung machte sie dann mit vierzehn Jahren. Sie trat
einer Musikkapelle bei und lernte dort einen Jüngling in ihrem Alter kennen.
Im Haus seiner Eltern und auch noch in deren Bett, machte sie dann die erste Bekanntschaft mit einem erregten Glied. Aber da war nur anfassen. Mal kurz berühren, sie traute sich nicht einmal genauer hinzusehen. Diese „Beziehung“ dauerte dann auch nicht mehr lange. Bibiane war froh, als sie beendet war.
Danach folgte lange nichts. Um nicht als sonderlich zu gelten, spielte sie das Spiel ihrer Freundinnen mit. Sie sprach über Jungs und Männer, schwärmte für den einen oder anderen Filmstar oder Sänger, log darüber, dass sie schon Sex gehabt habe, nur um dazu zu gehören. Obwohl Bibiane schon immer sehr selbstbewusst war und auch immer schon genau wusste was sie wollte, war ihr die Freundschaft zu den anderen Mädchen und später Frauen, doch sehr wichtig. Überhaupt war sie immer sehr harmoniebedürftig und konnte es nicht haben, wenn sie mal Streit mit einer Freundin hatte.
Als sie älter wurde, merkte sie, dass ihre Freunde sich immer auf sie verließen. Sie arrangierte die Fahrer, wenn es in die Disko gehen sollte, sie machte Vorschläge, wenn wieder keiner mal wusste, was sie unternehmen sollten. Und alle akzeptierten sie. Aber Bibiane wurde auch oft von Freundinnen enttäuscht. Aber das hielt sie nie davon ab, zu verzeihen und zu vergeben. Manche Freundin hat sie für einen Jungen oder Mann fallen gelassen. Aber sie verlor nie den Glauben an die Liebe oder die Freundschaft.

Bibiane war ein Spätzünder, was den Sex betraf. Entjungfert wurde sie von ihrem zweiten Freund im Auto mit dem Finger. Richtiger Sex kam dabei nicht zustande. Auch diese Beziehung beendete sie schnell wieder. Dann kam der Mann, mit dem sie ihren ersten Sex haben sollte. Es war nicht romantisch, nicht schön und sie war froh, als es vorbei war. Es geschah auf dem Beifahrersitz seines Autos. Sie fühlte nichts dabei, nur einen unangenehmen Schmerz. Danach schliefen sie öfter zusammen und es wurde besser und Bibiane bekam sogar richtig Spaß daran. Dieser Freund konnte sehr lange Sex machen, was ja eigentlich nicht schlecht war, doch das Ganze war für Bibiane eine Tortur. Während er sich auf ihr abmühte um zum Höhepunkt zu kommen, wartete sie nur darauf, dass er endlich fertig werde. Manchmal war sie schon trocken, während er noch weiterrubbelte. Einen Orgasmus hatte sie nie. Das änderte sich auch nicht bei ihren anderen Freunden. Sie hatte zwar mehr Spaß am Sex, war aber immer darauf bedacht, dass er seinen Spaß hatte. Ihre Erfüllung stellte sie immer hinten an. Orgasmen spielte sie immer vor, damit die Männer dachten, sie machten alles richtig.
Ihre Beziehungen hielten immer nur ein bis zwei Jahre maximal. Und immer war sie froh, wenn es vorbei war. So groß die Verliebtheit am Anfang auch war, am Ende war sie glücklich, wieder allein zu sein. Nach ihrer letzten Beziehung mit Mitte dreißig, hatte sie dann noch einige One Night Stands bis sie schließlich für sich beschloss, endgültig mit der Liebe abzuschließen.
Ihre Beziehungen waren am Ende immer so enttäuschend gewesen, dass sie sich diesen Gefühlen nicht mehr aussetzen wollte.

Doch dann geschah etwas Seltsames. Sie hatte zwar schon immer bemerkt, dass sie die eine oder andere Freundin auf eine andere Art mochte, als normale Freundschaft. Sie ertappte sich manchmal dabei, wie sie sich vorstellte ihre Freundin zu küssen, oder gar Sex mit ihr zu haben. Am Anfang errötete sie innerlich immer dabei und verdrängte diese Gedanken.
Doch je mehr Zeit ins Land ging und je länger Bibiane allein lebte überkam sie mehr und mehr das Gefühl, dass da etwas war, was sie sich nicht erklären konnte. Oder doch?
Sie ertappte sich dabei, wie erregt sie wurde, als in einem Film zwei Frauen sich küssten und Sex miteinander hatten. Ihr gefiel die Vorstellung mehr und mehr. Bibiane fing an speziell nach Filmen zu suchen, in denen Frauen Sex miteinander hatten. Sie las Bücher, Liebesgeschichten in denen Frauen in Frauen verliebt waren. Doch ihr war klar, auch wenn sie diese Vorstellung erregte, mit einer Frau Sex zu haben, sie würde das niemals ausleben können. In ihrem Lande war es zwar nicht verboten gleichgeschlechtliche Beziehungen zu haben, aber sie könnte das ihren Eltern niemals erklären. Sie würden das nicht verstehen. So wie sie über Homosexualität dachten, hätte es gar keinen Sinn. Und Bibiane wollte von ihren Eltern nicht verstoßen werden.
Also lebte sie ihre Fantasien ganz im Geheimen aus, lies Filme in ihrem Kopfkino ablaufen, las Bücher und sah sich Filme und Serien über das Thema lesbisch an.
Viele Jahre ging das so, ihre Freunde hatten nicht die geringste Ahnung, was in ihr vorging. Bibiane baute eine Mauer um sich herum auf. Sie spielte eine Rolle und das verdammt gut. Sie ließ niemanden hinter ihre Fassade blicken und spielte ihren Part. Sie lebte viele Jahre allein, war glücklich dabei, ging mit Freunden aus, hatte Spaß und arrangierte sich mit der Situation. Doch innerlich blieb die unerfüllte Sehnsucht nach Zärtlichkeit, Liebe, Verständnis und sexueller Erfüllung. Aber das hätte sie niemals zugegeben. Wenn die sexuelle Spannung zu groß wurde entspannte sie sich selbst und das reichte ihr. Sie war glücklich und zufrieden bis, ja, bis dann eines Tages…

Bibiane war schon immer eine begeisterte Schreiberin. Sie hatte so viele Geschichten im Kopf, die sie gern zu Papier bringen wollte. Doch schreiben macht nur halb so viel Spaß, wenn es weiter keiner liest. Also beschloss sie, im Internet einen Blog einzurichten. Das war nichts Ungewöhnliches in dem Königreich, in dem sie lebte. Anonym richtete sie eine Seite ein, auf der sie über ihre Gedanken und Gefühle zum Thema Liebe zwischen Frauen schreiben konnte. Sie schrieb den einen oder anderen Artikel. Zunächst sahen nicht viele Leser ihre Seite. Aber das war ihr egal, schließlich schrieb sie ja in erster Linie für sich. Doch dann kamen immer mehr Leser dazu. Sie bekam auch den einen oder anderen Kommentar. Doch für ihren Geschmack waren das zu wenige. Also startete Bibiane einen Aufruf auf ihrer Seite und bat um mehr Resonanz.
Zunächst geschah nichts, doch dann, plötzlich, eine Email von einer unbekannten Frau. Sie benutzte das Pseudonym Marlene Schanze. Sie schrieb Bibiane einen kurzen Brief in dem sie ihr mitteilte, dass sie ihre Seite sehr ansprechend fände. Dass sie in einer festen Beziehung mit einem Mann lebe und sie ihre Gefühle auch nicht ausleben könne.
Bibiane freute sich über die kurze Nachricht. Hatte sich doch bisher niemand sonst geäußert. Also schrieb sie dieser Unbekannten zurück.
Daraus entwickelte sich ein mehr oder weniger regelmäßiger Emailaustausch.


Fortsetzung folgt……




Alle Namen und Orte sind frei erfunden.